Vom Papier zur Bombe

 

  

Wie „Which Path to Persia?“ die Politik gegenüber dem Iran vorzeichnete

1. Einleitung

Die aktuelle Eskalation zwischen Israel, den USA und dem Iran wird medial häufig auf die Frage nach einem angeblichen iranischen Atomwaffenprogramm reduziert. Doch ein genauer Blick in die geopolitische Strategieliteratur der letzten zwei Jahrzehnte zeigt ein anderes Bild: Die Konfrontation ist nicht neu, nicht spontan und nicht sicherheitsbasiert. Sie ist Teil eines langfristigen Plans zur Umgestaltung des Nahen Ostens im Sinne westlicher Vorherrschaft. Ein zentrales Dokument in diesem Zusammenhang ist das 2009 veröffentlichte Strategiepapier „Which Path to Persia?“ des Brookings Institution Saban Center.


2. Inhalt und Zielsetzung des Strategiepapiers

Das Papier trägt den vollständigen Titel: “Which Path to Persia? Options for a New American Strategy toward Iran”1. Die Autoren - darunter ehemalige Geheimdienstberater, Militäranalysten und ein früherer CIA-Mitarbeiter - analysieren darin verschiedene Wege, wie die USA mit dem Iran umgehen könnten.

Die vier zentralen Optionen:

  1. Verhandlungen mit gezielten Anreizen

  2. Ein Regimewechsel durch Destabilisierung von innen

  3. Gezielte Luftangriffe auf nukleare und militärische Anlagen

  4. Eine groß angelegte militärische Invasion

Besonders aufschlussreich ist dabei die nüchterne, teils zynische Art, mit der solche „Optionen“ durchgespielt werden - unter völliger Ausblendung humanitärer Folgen. Es geht um Machterhalt, geopolitische Kontrolle und regionale Dominanz.


3. Die zynische Option: Provozieren, um angreifen zu können

Eine der erschreckendsten Passagen des Papiers lautet:

„[...] it would be far more preferable if the United States could cite an Iranian provocation as justification for the airstrikes before launching them. [...] the best way to minimize international opprobrium and maximize support (could be) to strike only once Iran commits an egregious violation or acts aggressively.”2

Übersetzt: Es wäre vorzuziehen, wenn die USA einen iranischen Provokationsakt als Vorwand für Luftschläge heranziehen könnten. [...] Der beste Weg, eine internationale Verurteilung zu minimieren und Unterstützung zu maximieren, wäre, erst zuzuschlagen, nachdem der Iran eine schwerwiegende Verletzung (des Völkerrechts) begeht oder aggressiv handelt.

Diese strategische „Inszenierung“ eines Verteidigungsfalls ist nichts anderes als eine Anleitung zur psychologischen und propagandistischen Kriegsvorbereitung - mit dem Ziel, Kriege als notwendig erscheinen zu lassen, obwohl sie in Wahrheit planvoll provoziert wurden.


4. Kein echtes Interesse an Atomverzicht

Obwohl sich das Papier auf das iranische Atomprogramm bezieht, geben die Autoren mehrfach zu, dass ein militärisches Vorgehen nicht der Verhinderung einer konkreten Bombe dient, sondern dem „Endziel“:

“[...] the real objective is to coerce the Iranian regime into compliance with American interests in the region.”3

Mit anderen Worten: Die Atomfrage ist ein Vorwand, kein Kernproblem. Das eigentliche Ziel ist die politische Unterwerfung eines souveränen Staates unter westlich-israelische Interessen.


5. Kontinuität: Von „A Clean Break“ zu „Which Path to Persia“

Dieses Denken ist nicht neu. Bereits 1996 entwarf eine israelisch-amerikanische Arbeitsgruppe – darunter Richard Perle und Douglas Feith – das Strategiepapier „A Clean Break“, das u. a. empfiehlt, Syrien, Libanon und Irak zu destabilisieren und Iran zu isolieren4. „Which Path to Persia?“ ist eine direkte Fortsetzung dieser neokonservativen Weltanschauung – nur diesmal unter dem Label einer gemäßigten Denkfabrik.


6. Die Folgen heute: Umsetzung in Echtzeit

Die gezielten Morde an iranischen Atomwissenschaftlern, die Sabotage iranischer Industrieanlagen durch den israelischen Geheimdienst Mossad, die Cyber-Angriffe (z. B. „Stuxnet“), die Sanktionen, die Destabilisierung des Westjordanlands und die jüngsten Angriffe auf iranische Atomanlagen – all das entspricht exakt den im Strategiepapier entworfenen Eskalationspfaden.

Dass dies in einem Moment geschieht, in dem diplomatische Einigungen über Urananreicherung in Aussicht standen, deutet auf eine bewusste Zerstörung friedlicher Lösungen hin. Auch dies wurde im Strategiepapier als taktisch kluger Moment für einen Angriff beschrieben5.


7. Fazit: Wer das Drehbuch kennt, durchschaut das Theater

„Which Path to Persia?“ ist kein Hirngespinst - es ist eine reale strategische Grundlage, auf deren Basis Politik gemacht wird. Wer heute die aktuelle Eskalation als „Reaktion auf Bedrohung“ einstuft, ignoriert, dass seit Jahrzehnten gezielt ein Konflikt vorbereitet wird – nicht, weil der Iran eine Bombe bauen will, sondern weil er sich nicht vollständig unterordnet.

Genau das ist so erschreckend, dass dieser Krieg so lange vorbereitet wurde und wir durch unsere Medien immer noch davon überzeugt werden sollen, dass der Iran die Gefahr für uns alle ist. Wir haben hier eine imperiale Elite von Geld-Oligarchen, deren Vordenker  in Thintanks und anderen Institutionen und vor allem der Rüstungsindustrie, die uns alle, nicht nur die Iraner, sondern die gesamte Weltbevölkerung zum Spielball ihrer Weltherrschaftsträume machen.

Solange diese Art von Planung nicht öffentlich gemacht, diskutiert und verurteilt wird, bleibt das Völkerrecht ein Feigenblatt und die Menschlichkeit das erste Opfer geopolitischer Interessen.


Fußnoten


  1. Riedel, Bruce et al. (2009): Which Path to Persia? Options for a New American Strategy toward Iran. The Brookings Institution – Saban Center for Middle East Policy.

  2. Ebd., S. 66.

  3. Ebd., S. 80.

  4. A Clean Break: A New Strategy for Securing the Realm (1996), Institute for Advanced Strategic and Political Studies.

  5. Which Path to Persia?, S. 72: Angriff in einem Moment ansetzen, in dem Iran „auf Entspannungskurs“ wirkt, um Einigung zu untergraben.


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