Ein Streitgespräch zwischen Dostojewski, Brecht und der kleinen Hope

Ein fiktiver Dialog über Leben, Leid und die Zukunf

Diese fiktive Szene entstand aus einem inneren Gespräch zwischen zwei Stimmen der Weltliteratur, die mich tief geprägt haben: Brecht, der politische Kämpfer, und Dostojewski, der Seelensucher. Zwischen sie tritt ein Kind aus der Zukunft, die dreizehnjährige Hope. Das Gespräch symbolisiert das, was mein Roman erzählen will: dass wahre Veränderung sowohl Systemkritik als auch Menschlichkeit braucht.

Ich teile sie hier als Teil meiner eigenen Philosophie, einer Philosophie des Dazwischen, der Hoffnung und der Verantwortung. Und bewusst auf Deutsch, weil Brechts Ton, sein spöttischer Ernst und seine Sprache ohne deutsche Herkunft nicht denkbar wären. Diese Szene ist also nicht nur ein Gedankenexperiment, sondern auch eine Hommage an das deutschsprachige Denken in seiner tiefsten Ambivalenz.


Das Szenenbild: 

Ein karger, zeitloser Raum, ein Tisch, zwei Stühle, ein dritter seitlich. Zwei Männer - der eine in dunklem, altmodischem Anzug, mit müden, leidvollen Augen,Fjodor Dostojewski - der andere mit Zigarette, forsch, schnippisch, herausfordernd, Berhold Brecht. Es ist, als hätten sie sich aus den Schatten der Geschichte selbst in ein metaphysisches Streitgespräch hineinbegeben.

Dostojewski beginnt mit sanfter Stimme:

"Sie glauben also wirklich, Herr Brecht, dass der Mensch lernfähig sei durch Katastrophen? Dass man ihm das Denken beibringen könne durch Verfremdung und Distanz?"


Brecht(lehnt sich zurück):

"Und Sie glauben, man könnte ihn retten durch Mitleid? Durch das Leiden? Was Sie predigen, ist Demut vor dem Schmerz. Ich sage: Der Mensch muss sich erheben. Organisieren. Kämpfen."


Dostojewski:

"Der Mensch ist nicht nur ein Produkt seiner Verhältnisse. In ihm wohnt ein unermesslicher Abgrund – zwischen Teufel und Gott. Alles Kämpfen nützt nichts, wenn man die Seele verliert."


Brecht:

"Die Seele ist ein Luxus, den sich der Hungernde nicht leisten kann. Ich sage Ihnen: Erst kommt das Fressen, dann die Moral."


Dostojewski (fast traurig):

"Und doch war es der verhungernde Fürst Myschkin, der mehr Mensch war als alle Reichen, Mächtigen  Intellektuellen Ihrer Welt. Der wahre Mensch zeigt sich im Mitleid - nicht im Triumph."


Brecht:

"Mitleid ist Ohnmacht. Ich will eine Welt, in der ein Kind nicht einfach nur mitleidig angeschaut wird, sondern isst, lernt, lebt. Dafür brauchen wir Systemkritik, keine religiöse Nabelschau."


Dostojewski (blickt ihn an, wie durch ihn hindurch):

"Wenn du dem Menschen sagst, er sei nur ein Zahnrad im Getriebe, wird er sich auch so verhalten. Aber sag ihm, er sei frei - und verantwortlich vor Gott - und er wird erzittern, vielleicht sogar aufwachen."


Brecht (lacht trocken):

"Gott? Ihr Gott hat bei all den Kriegen, den Folterkellern und Konzentrationslagern geschwiegen. Ich verlasse mich lieber auf Dialektik als auf Gebete."


Dostojewski (leise):

Vielleicht hat Gott geschwiegen, damit wir endlich aufeinander hören lernen.


Brecht (zündet sich eine neue Zigarette an):

Ein schöner Satz für ein Theaterstück, ich geb's zu. Aber am Ende zählt die Veränderung der Welt, nicht der fromme Blick auf ihr Elend.


Dostojewski:

Dann lassen Sie uns wenigstens darüber einig sein, dass sie verändert werden muss. Ob durch Güte oder durch Kampf - sie darf so nicht bleiben.


Brecht (nickt, nachdenklich):

"Da treffen wir uns. Am Abgrund.

Aber ich gehe mit erhobener Faust.

Und Sie?"


Dostojewski (steht auf, legt die Hand ans Herz):

Mit zitternder Seele. Und einem Licht, das nicht von dieser Welt ist."


Eine Tür öffnet sich und ein Kind betritt den Raum. Es ist das Mädchen Hope, 13 Jahre alt, aber klein für ihr Alter.

Hope (blickt zwischen den beiden hin und her):

Ich habe euch zugehört, von weitem habe ich eure Stimmen gehört. Ihr streitet euch darüber, wie man die Welt rettet.

Und ich frage mich... was, wenn ihr beide recht habt, nur nicht zur selben Zeit?  Das ist, was mein Großonkel mir einmal gesagt hat, auf meine Frage, was würde etwas ändern. Er sagte, die Antwort ist Zeit. Und er muss ea wissen, er hat schließlich eine Zeitmaschine gebaut.


Dostojewski (mild):

Kind, das Leben ist kein Wechselspiel von Argumenten. Es ist eine Prüfung der Seele. Der Mensch muss leiden, um zu begreifen.


Brecht(spöttisch):

Oder vielleicht muss er einfach nur begreifen, dass er leidet, weil andere davon profitieren. Nichts Edles am Schmerz, Mädchen. Der muss weg.


Hope (setzt sich nun auf den dritten Stuhl):

"Aber wenn wir nur das ändern, was Sie Strukturen nennen, Herr Brecht, und dabei vergessen, wie viel Schaden ein Mensch mit Hass im Herzen anrichten kann, wird dann nicht einfach ein neues System mit  Dämonen entstehen, ebenso schlimm wie die alten?


Brecht (blickt sie scharf an):

Und was schlägst du vor? Dass wir auf den Messias warten?


Hope (leise, aber bestimmt):

Ich bin aus einer Zukunft, in der wir vieles von dem hatten, was Sie sich erträumt haben Herr Brecht, genug um alle körperlichen Bedürfnisse aller Menschen zu erfüllen, und auch was Sie sich gewünscht haben, Herr Dostojewski, das Mitgefühl und einen Glauben, der wirklich ist und nicht bloße Heuchelei. Aber wir hätten alles beinahe wieder verloren.

Wir mussten wieder verstehen lernen, dass das Böse im menschlichen Herzen Platz hat und auch das Gute, in jedem Herzen auch unserem eigenen. Aber wir mussten auch kämpfen, damit nicht das zerstört würde, was wir über Jahrhunderte aufgebaut hatten, eine Welt, in der alle Menschen in Frieden leben können.

Aber wie wir gekämpft haben, das hat den Ausschlag gegeben. Wir haben von der Vergangenheit gelernt, von den ganz kleinen Leuten, ja, aber auch von euch beiden, die ihr zu den großen Denkern eurer Zeit gezählt wurdet.


Dostojewski (blickt sie gerührt an):

Du erinnerst mich an Aljoscha... so jung und schon wissend. Vielleicht ist es das, was eure Zukunft gerettet hat.


Brecht (zuckt die Schultern):

Oder sie ist das perfekte Produkt ihrer Verhältnisse. Ein intelligentes Kind, gemacht von einer besseren Gesellschaft. Vielleicht habt ihr's geschafft. Vielleicht.


Hope (steht wieder auf):

Ich bin nicht gemacht. Ich bin geworden.

Durch Fragen- durch Geschichten - und auch durch euch.







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